von Heinz-Jürgen Voß
Zuerst veröffentlicht und zitierbar als:
Voß, Heinz-Jürgen (2011): „Weiblichmännlich“, „männlichweiblich“ – bisexuelle Konstitution als Basis „moderner“ biologisch-medizinischer Geschlechtertheorien. In: Schneider, Martin / Diehl, Marc (Hrsg., 2011): Gender, Queer und Fetisch: Konstruktion von Identität und Begehren. Männerschwarm, Hamburg, S.11-29.
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Einleitung und Forschungsstand
In der neueren Geschlechterforschung, insbesondere der Sozial- und Kulturwissenschaften, wurde bezüglich biologischer Geschlechtertheorien (nahezu) durchweg die Auffassung vertreten, dass „moderne“ Biologie und Medizin für Menschen stets weitreichende Differenzen zwischen zwei Geschlechtern beschrieben hätten. Konstituierend waren für diese Ansicht insbesondere die Arbeiten von Thomas Laqueur (1986; 2003 [1990]) und Claudia Honegger (1991).
Laqueur arbeitete für die antike Naturphilosophie ein „Ein-Geschlechter-Modell“ heraus, das bis in das 18. Jahrhundert fortgewirkt habe. In diesem seien Menschen lediglich nach dem Grad der Vollkommenheit unterschieden worden. Der Mann habe darin zwar als vollkommene Version des Menschen gegolten, die Frau sollte aber grundsätzlich die gleichen Organe haben; auf Grund einer geringeren „Hitze“ seien sie nur minder ausgeprägt. So würden beispielsweise die Genitalien der Frau im Körperinneren verbleiben, wogegen der Mann über ausreichend „Hitze“ verfüge, die Genitalien nach außen zu kehren. Solche Auffassungen passten gut zur gesellschaftlichen Geschlechterordnung, in der freie Frauen benachteiligt waren (die Betrachtungen kreisen stets um Angehörige privilegierter Schichten). Laqueur konstatiert, dass eine geschlechterdifferenzierende Ordnung in antiken Gesellschaften und anschließend bis ins 18. Jahrhundert nicht auf naturphilosophische Begründungen zurückgeführt, sondern sozial begründet wurde (Laqueur 1986 und 2003 [1990]; Park/Nye (1991) kritisierten früh die Einfachheit von Laqueurs Darstellungen; vgl. Voß 2008).
Ab dem ausgehenden 18. Jahrhundert hätten Frauen und Männer dagegen als grundlegend verschieden in ihren physischen, physiologischen und psychischen Merkmalen gegolten. Laqueur benennt dies als „Zwei-Geschlechter-Modell“, Honegger führt die Differenzbeschreibungen detailliert aus. Zahlreiche Organe und Gewebe sollten nun geschlechtlich verschieden sein und sie seien dazu herangezogen worden, um die verschiedenen Möglichkeiten von Frauen und Männern und die Vorrechte der Männer in der sich konstituierenden bürgerlichen Gesellschaft zu rechtfertigen. Der Mann habe auch in dem „Zwei-Geschlechter-Modell“ als der Mensch schlechthin, die Frau hingegen als näher zu untersuchende „Abweichung“ gegolten (u.a. Honegger 1991; vgl. für die Rezeption: Hoff 2005; Mehlmann 2008; kritisch: Rang 1986; Stolberg 2003). Schließlich seien Merkmalskombinationen, die als Mischungen „weiblicher“ und „männlicher“ Geschlechtscharaktere erkannt wurden, als „Störungen“ und „Missbildungen“ in Theorien „normalerweise“ in entweder „weibliche“ oder „männliche“ Richtung verlaufender geschlechtlicher Entwicklung integriert worden (u.a. Mehlmann 2006).
Von dieser einfachen Darstellung „moderner“ biologisch-medizinischer Geschlechtertheorien ausgehend, fiel es leicht, (vermeintlich) vereinzelte emanzipatorische Zwischenrufe festzustellen, die sich gegen solche Einordnungen wandten. So wurden die um 1900 tobenden Prioritätsstreitigkeiten um die „Entdeckung“, dass jeder Mensch zeitlebens weibliche und männliche Merkmale in sich vereinige (Stichworte: „konstitutionelle Bisexualität“, „Zwischenstufentheorie“), in der neueren Forschung voreilig als Ausdruck dafür gelesen, dass es solche Ausführungen vorher nicht gegeben hätte bzw. dass, sofern diese Betrachtungen doch feststellbar wären, sie keine Chance gehabt hätten, in die dominanten Sichtweisen der Biologie und Medizin einzugehen (u.a. Mehlmann 2008; Herrn 2008; vgl. auch die Debatte zwischen Manfred Herzer und J. Edgar Bauer um das Jahr 2000, deren Beiträge online verfügbar sind: http://www2.hu-berlin.de/sexology). Indes verwiesen u.a. Otto Weininger und Magnus Hirschfeld, die in die Prioritätsstreitigkeiten zu Beginn des 19. Jahrhunderts involviert waren, auf eine lange Tradition solcher Betrachtungen, bis hin zu antiken und alten chinesischen Quellen (für die Traditionen vgl.: Römer 1903; Neuer Berliner Kunstverein 1986). Manfred Herzer knüpfte an die Aussagen an und konnte in einem ersten Überblick einige Belegstellen auch für den Beginn und die Mitte des 19. Jahrhunderts feststellen, in denen das dauerhafte Vorkommen „weiblicher“ und „männlicher“ Merkmale in jedem Menschen postuliert wurde (Herzer 1998).
In diesem Beitrag wird an Herzers Vorarbeiten angeschlossen. Es wird für die „modernen“ biologisch-medizinischen Wissenschaften herausgearbeitet, dass Theorien der Mischung „weiblicher“ und „männlicher“ Merkmale in jedem Menschen – sei es nur in den ersten Phasen der Embryonalentwicklung oder zeitlebens – einen basalen Bestandteil der Geschlechterbetrachtungen bildeten. Die meisten Wissenschaftler[1] gingen davon aus, dass zunächst bei jedem Menschen ein embryonaler Ursprung vorliege, der geschlechtslos sei oder beide Geschlechter in sich vereinige, also „hermaphroditisch“ sei. Erst in der individuellen Entwicklung eines jeden Menschen sollte sich ein Geschlecht deutlicher herausbilden. Einige Wissenschaftler vertraten die Ansicht, dass auch am Ende des Entwicklungsprozesses jeder Mensch weibliche und männliche Merkmale in sich vereinige. Ganz gleich wie weitreichend dieser geschlechtslose bzw. hermaphroditische Zustand beschrieben wurde, auf jeden Fall ist bedeutsam, dass somit in den „modernen“ biologisch-medizinischen Geschlechtertheorien für jeden Menschen das Potenzial für die Entwicklung beider Geschlechter zu Grunde gelegt wurde. Differenzen könnten sich damit nicht als radikale Verschiedenartigkeiten darstellen – wie bislang angenommen –, sondern sie wären „nur“ relative Unterschiede, und in diesem Sinne vergleichbar mit denen, die Laqueur für die Antike als „Ein-Geschlechter-Modell“ fasste.
Entwicklungsdenken – und gesellschaftliche Ordnung
Kennzeichnend für die gesellschaftlichen – und damit auch die wissenschaftlichen – Bedingungen um 1800 war ein aufkommendes Entwicklungsdenken. Wurde im 17. und im 18. Jahrhundert alles Seiende auf einen „Gott“ zurückgeführt, der es zu einem konkreten Zeitpunkt in einem einmaligen Akt geschaffen habe, und schien so jede Veränderung (außerhalb eines von diesem „Gott“ schon Vorgedachten und Vorgegebenen) ausgeschlossen, so geriet dieses Bild Ende des 18. Jahrhunderts nachhaltig ins Wanken.
Für die gesellschaftliche Ordnung zeigte sich mit der Französischen Revolution, dass diese keineswegs von einem „Gott“ vorgegeben war, sondern dass sie durch vernunftgeleitete Menschen selbst gestaltet werden konnte. Herrschaft der Wenigen und Ausplünderung der Vielen musste nicht hingenommen werden, sondern die Vielen konnten aufstehen und die gesellschaftlichen Verhältnisse umgestalten.
Ähnliches zeigte sich auch auf wissenschaftlichem Gebiet. So ist auffällig, dass sich um 1800 in zahlreichen wissenschaftlichen Bereichen entwicklungsgeschichtliches Denken durchsetzte (Auch zuvor hatte es entwicklungsgeschichtliche Auffassungen vielfach gegeben, aber sie konnten zu keinem Durchbruch gelangen; ihre Vertreter waren vielfach gar wegen „Gotteslästerung“ von christlichen Kirchen verfolgt wurden). So setzte sich um 1800 die Auffassung durch, dass die Planeten nicht etwa von einem „Gott“ geschaffen, sondern über einen sehr langen Zeitraum durch Abkühlung entstanden seien. Chemisch erhielt der Atomismus auftrieb, physikalisch wurden Gravitation, Elektrizität und Magnetismus ausgeführt: Kleine und kleinste Teilchen würden durch Einwirkung von Kraft, Tätigkeit, Energie größere Strukturen bilden, die wiederum umgebildet werden und zerfallen könnten. Entwicklung – Entstehen und Vergehen – war auch für die sich herausbildende Wissenschaft „Biologie“ wichtiger Ausgangspunkt. Hier beschrieb man die Möglichkeit der Neuentstehung von Organen und Arten und fasste Embryonalentwicklung als tatsächlichen Prozess, in dem Entwicklung und Differenzierung stattfinde. Und auch in der Theologie wandelte sich das Verständnis: Statt als „Schöpfergott“ beschrieb man „Gott“ nun als allem innewohnend und somit als Initial, als Tätigkeit und Kraft, das Entwicklung anstoße und Vergehen bewirke.
Entwicklungsgeschichtliche Betrachtungen sind für die sich anschließenden Ausführungen auf dreierlei Weise zentral:
Konstitutionelle Bisexualität – Geschlecht entwickelt sich
War in den Präformationstheorien ein Mensch in all seinen Merkmalen – auch den Genitalien – bereits vorgegeben und erübrigten sich damit weitere genauere Betrachtungen, so galt es mit entwicklungsgeschichtlichen Denkweisen die Prozesse von Entwicklung und Differenzierung genauer zu untersuchen, auch bezüglich der Frage, wie sich der Genitaltrakt (und das Geschlecht im allgemeinen) ausbilden würde. Hier ist es nun interessant und konstituierend für die Fragestellungen in den „modernen“ biologisch-medizinischen Wissenschaften, dass die Gelehrten, die um 1800 entwicklungsgeschichtlichem Denken anhingen und dabei Zeugungsstoffe und Geschlecht im Blick hatten, sich nicht etwa sogleich wieder in die Annahme flüchteten, die Geschlechterunterschiede seien in Anlagen bereits präformiert. Sie gingen stattdessen davon aus, dass jeder Embryo gleichermaßen das Potenzial habe, sich in „weibliche“ wie auch in „männliche Richtung“ zu entwickeln. „Weiblich“ oder „männlich“ waren Menschen damit nicht qua Geburt, sondern erst als Resultat von Entwicklungsprozessen. Im Rahmen der Entwicklungsprozesse sei es auch möglich, dass keines der Geschlechter eindeutig zum Vorschein komme, sondern dass geschlechtliche Uneindeutigkeit die Folge wäre.
Unter anderem aus den Ausführungen von Ignaz Döllinger und Jacob Fidelis Ackermann wird diese Perspektive deutlicher. 1816 schrieb Döllinger, zu dieser Zeit Anatomie-Professor in Würzburg:
„9) […] So wie der Embryo nur Mensch, nicht Weib und nicht Mann seyn kann, so haben auch seine keimenden Genitalien keinen Geschlechtscharakter. Im Hermaphroditen ist diese Indifferenz fixiert. 10) Die menschlichen Geschlechtstheile sind nicht absolut männlich, sondern männlichweiblich, und nicht absolut weiblich, sondern weiblichmännlich, daher die Harmonie ihres Baues, und die Möglichkeit einer Uebergangsbildung. 11) Die Geschlechtsteile des Mannes sind die Prostata und die Hoden, die des Weibes die Gebärmutter und die Eierstöcke. […] Das die Prostata dem Uterus, der Hode dem Eierstock parallel sind, ist für sich klar; […].“ (Döllinger 1816: 390)
Jacob Fidelis Ackermann, der sich zur Zeit der Französischen Revolution beim Mainzer Freiheitsfest und im Jakobinerklub engagiert hatte, wofür er sich später in einer kurfürstlichen Untersuchung rechtfertigen musste, und der 1805 eine Professur in Jena, dann in Heidelberg inne hatte, schrieb im Jahr 1805:
„In jedem Individuum sind der Möglichkeit nach die Zeugungsteile [Geschlechtsteile] beider Geschlechter vorhanden“ – und setzte später fort: „Aus den dargelegten Beschreibungen der Zeugungsteile [Geschlechtsteile] wird offenbar, dass in jedem Individuum beiderlei Geschlechtsorgane [in Anlage] vorhanden sind, dass aber nur ein Geschlecht gänzlich zum Vorschein kommt und dass der Penis der Klitoris, die Prostata dem Uterus, die Harnröhre der Vagina, der Hoden dem Eierstock, Ductus deferens [Ausführungsgang] den Tuben [lat. Tuba Fallopiae: Fallopische Röhren, Eileiter; alle Anm. in eckigen Klammern von HV], der Hodensack den äußeren Schamlippen analog sind.“ (Ackermann 1805, Übersetzung aus dem Lat. nach: Voß 2010: 136; Anmerkung: „Analog“ ist nach heutiger Begriffsunterscheidung, die um 1800 noch nicht existierte, als „homolog“ zu verstehen.)
Deutlich wird sowohl bei Döllinger als auch bei Ackermann, dass sie geschlechtliche Unterscheidungen vornahmen – das wird bereits aus den Begriffen deutlich, die sie für die einzelnen Bestandteile des Genitaltraktes geschlechtlich differenzierend verwendeten. Allerdings scheint ihnen nicht an der Betonung von Differenz gelegen gewesen zu sein. Vielmehr legen sie in ihren Beschreibungen das Gewicht auf die Gemeinsamkeit der geschlechtlichen Anlage und auf die Ähnlichkeit der ausgebildeten weiblichen und männlichen Merkmale. Aus den Ausführungen von Döllinger und Ackermann wird deutlich, dass jeder menschliche Embryo das Potenzial zur Entwicklung eines weiblichen und eines männlichen Genitaltraktes in sich trage. Unterschiede konnten somit keine grundsätzlichen sein.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts fanden sich solche Ausführungen verbreitet. Sie bedeuten keineswegs, dass den Autoren nun stets an Gleichheit von Frau und Mann gelegen gewesen wäre. Einige der Autoren gingen zwar von einer bei allen menschlichen Embryonen gleichen geschlechtlichen Anlage aus, um dann aber als Folge der Entwicklungsprozesse weitreichende Geschlechterdifferenzen anzuschließen. Nur wenige Autoren gingen indes soweit, die bei erwachsenen Menschen beobachteten Geschlechterdifferenzen als so weitreichend zu betrachten, dass bereits eine geschlechtlich unterschiedliche Anlage vorliegen müsse. Einer dieser Autoren ist Theodor Ludwig Wilhelm von Bischoff, der Ende des 19. Jahrhunderts für seinen auch für diese Zeit beachtenswert engagierten Kampf gegen das Studium von Frauen auffiel. Die meisten Autoren teilten auch zur Mitte und zum Ende des 19. Jahrhunderts die Auffassung, dass die embryonale geschlechtliche Anlage bei allen Menschen gleich sei, entweder gänzlich geschlechtslos oder aber hermaphroditisch (vgl. prononciert: Voß 2011). Und so schrieb Ludwig Büchner – Mediziner, Naturphilosoph und engagiert für die Verbesserung der Lebensbedingungen der Armen – im Jahr 1878, und rezipierte dabei den biologisch-medizinischen Forschungsstand:
„Die allgemeine Möglichkeit des Hermaphroditismus ist übrigens schon dadurch gegeben, dass männliche und weibliche Organe in ihrer ursprünglichen Anlage gar nicht von einander zu unterscheiden sind, und dass die später eintretende Geschlechts-Differenz nur auf verhältnissmässig ganz geringe Modificationen eines und desselben Grund- und Bildungsplanes hinausläuft.“ (Büchner 1878: 10; Hervorhebungen ausgelassen)
Und solche Betrachtungen hatten durchaus politische Relevanz. So ist es auffällig, dass Menschen, die für die Emanzipation von Frauen, von gleichgeschlechtlich Begehrenden oder von armen Menschen stritten, sich durchaus auf naturwissenschaftliche Betrachtungen stützten. Sie bezogen sich vielfach u.a. auf Darwinismus; Unwissenheit von Frauen führten sie mit diesem auf mangelnde Bildung zurück. Sie sei also geworden und nicht etwa vorgegeben und unabänderlich. Wenn Frauen nun ausreichend Bildung erhielten, würden ihre geistigen Fähigkeiten zunehmen und diese sollten wiederum an die Nachkommen – weibliche und männliche – weitergegeben werden. Diese Möglichkeit hatte bereits Charles Darwin gesehen und so bezogen einige derjenigen, die für die Emanzipation von Frauen stritten, darwinistische Positionen in ihre Argumentationen ein, was ihnen auch den Vorwurf „darwinistischer Schwärmerei“ einbringen konnte (vgl. ausführlicher: Voß 2011: 111ff.). Auch die naturwissenschaftliche Annahme einer geschlechtslosen oder hermaphroditischen geschlechtlichen Anlage bot gute Anschlussmöglichkeiten: So wies Johanna Elberskirchen – eine medizinisch gebildete engagierte Sozialdemokratin – weitreichende Differenzen des Genitaltraktes von Frauen und Männern zurück: „Es gibt keinen wesentlichen Unterschied, es gibt in der Anlage kein prinzipiell weibliches Geschlecht.“ (Elberskirchen 1903: 8) Für alle Merkmale des Genitaltraktes zeigte sie die Gemeinsamkeiten zwischen „weiblichem“ und „männlichem“ Geschlecht auf, so auch für die heutzutage als so wichtig betrachtete Gebärmutter, die sich voll entwickelt bei der Frau, nicht vollständig ausgebildet, als „uterus masculinus“, beim Mann finde (eine durchaus geläufige Annahme). Aber auch die zu dieser Zeit oft als für die Geschlechtsentwicklung am wichtigsten angenommenen Organe, die Keimdrüsen, wies Elberskirchen als „einheitlich“ aus, sie seien bei Frau und Mann „ein und dasselbe“ (Elberskirchen 1903: 10). Karl Heinrich Ulrichs – der heute als Vorkämpfer für die Straffreiheit gleichgeschlechtlichen Sexes und Begehrens betrachtet wird – und an ihn anschließend weitere Protagonist_innen der Sexualreformbewegung, stützte sich in seiner Argumentation auch auf die naturwissenschaftliche Erkenntnis einer hermaphroditischen geschlechtlichen Anlage. Sie beweise, dass bei jedem Menschen zunächst die Möglichkeit zur Ausbildung sowohl weiblicher als auch männlicher physischer und physiologischer Merkmale gegeben sei – und was für solche Merkmale gelte, dürfe für psychische Merkmale, insbesondere den geschlechtlichen Trieb, nicht geleugnet werden. Auch dieser habe das Potenzial sich in „weiblicher“ und „männlicher“ Richtung auszubilden (Numa Numantius [Ulrichs] 1864: 7ff.).
Dauerhafte Doppelgeschlechtlichkeit bei jedem Menschen
Ulrichs‘ Ausführungen zur Legitimation gleichgeschlechtlichen Begehrens als „natürlich“ deuten bereits eine weitere Richtung an, die nicht dermaßen dominant wie die der geschlechtslosen bzw. hermaphroditischen geschlechtlichen Anlage war, die aber durchaus eine geläufige These darstellte. So zeigte Ulrichs auf, dass auch jeder ausgewachsene Mensch sowohl über weibliche als auch über männliche Anteile verfüge. Die im Denken Ulrichs‘ hermaphroditische geschlechtliche Anlage würde sich über zahlreiche Entwicklungsschritte zu weiblichem oder männlichem Geschlecht hin entwickeln. Es entwickle sich also ein Teil der geschlechtlichen Anlage – bspw. der weibliche –, der andere Anteil – hier dann der männliche – würde sich nicht in gleichem Maße entwickeln, sondern in der Entwicklung zurückbleiben, er würde aber auch nicht verlorengehen. So würde der Mann bspw. „unentwickelte Brustdrüsen“, die Frau bspw. ein „unentwickeltes Membrum, die so genannte Klitoris“ zeitlebens behalten (Numa Numantius [Ulrichs] 1864: 8). Wie stark sich das eine oder andere Geschlecht entwickle, wäre individuell unterschiedlich.
Bei anderen Autoren wird deutlicher, was mit der dauerhaften Doppelgeschlechtlichkeit jedes Menschen gemeint ist. So schrieb Wilhelm von Humboldt – der für seine sprachtheoretischen Schriften bekannt ist und wesentlich in die Reformierung der Bildung in Preußen involviert war – in seinem Aufsatz „Ueber die männliche und weibliche Form“, der 1795 in der Zeitschrift „Die Horen“ erschien:
„…reine Männlichkeit und Weiblichkeit auch nur aufzufinden, ist unendlich schwer, und in der Erfahrung schlechterdings unmöglich“ (Humboldt 1959 [1795]: 81). An späterer Stelle setzte er fort, wiederum bezogen auf Geschlecht: „Von diesen beyden charakteristischen Merkmalen der menschlichen Gestalt, deren eigenthümliche Verschiedenheit in der Einheit des Ideals verschwindet, herrscht in jedem Geschlecht eins vorzugsweise, indes das andere nur nicht vermißt wird.“ (Humboldt 1959 [1795]: 102)
Humboldt entwickelt Idealtypen „weiblich“ und „männlich“, „reine Weiblichkeit“ und „reine Männlichkeit“. Diese lädt er im benannten Aufsatz mit allerlei Erwartungen, mit geschlechterstereotypen Vorstellungen auf. Interessant ist nun aber, dass er zu dem Schluss kommt, dass diese Idealtypen „weiblich“ und „männlich“ niemals in dieser „Reinform“ bei Menschen repräsentiert seien, sondern dass Menschen stets eine Mischung der geschlechtlichen Ideale „weiblich“ und „männlich“ darstellen würden.
Eine solche Perspektive, geschlechtliche Ideale zu beschreiben und sie als in der Wirklichkeit nicht vorkommend auszuweisen, wurde in der bisherigen Forschung erst für die Zeit um 1900 angeführt. Lediglich Manfred Herzer wies darauf hin, dass solche Vorstellungen um 1900 im Bildungsbürgertum bereits verbreitet waren und vermutete, dass sie um 1800 aufgekommen seien (Herzer 1998). Um 1900 waren sie dann weithin diskutiert. Zwischen Wissenschaftlern fanden gar Streitigkeiten darüber statt, wer von ihnen zuerst solche Betrachtungen vorgenommen habe. Magnus Hirschfeld, der sich an den Streitigkeiten beteiligte, indes keine Priorität beanspruchte, schrieb:
„Es kann nicht oft genug wiederholt werden, daß schon zufolge der Erbgesetze diese Grundtypen im Grunde nur Fiktionen sind und daß, wenn ein Satz zu Recht besteht, es dieser ist, daß der Mensch nicht Mann oder Weib sondern Mann und Weib ist.“ (Hirschfeld 1984 [1923]: 23; Hervorhebungen im Original) In der „Geschlechtskunde“ betonte er: „Geschlechtsunterschiede sind Gradunterschiede. Es handelt sich immer nur um ein mehr oder minder, um ein kleiner oder größer, stärker oder schwächer, immer nur um ein relativ, nicht absolut Verschiedenes, nie um etwas, was nur dem einen, nicht aber auch dem anderen Geschlecht zukäme. […] Wer beiden Geschlechtern entstammt, [e]nthält beide Geschlechter vereint“ (Hirschfeld 1926-1930: I, 481; Hervorhebungen im Original).
Jeder Mensch sei weiblich und männlich zugleich. Und spätestens hier wird auch augenscheinlich, dass solche Betrachtungen gut im Sinne von Laqueurs „Ein-Geschlechter-Modell“ eingeordnet werden können: Es ging um relative Unterschiede.
Keimdrüsen, Erbanlagen und die individuelle Ausbildung des Geschlechts
Theorien der dauerhaften Doppelgeschlechtlichkeit jedes Menschen, mit einer je individuellen Ausprägung des Anteils an „Weiblichkeit“ und an „Männlichkeit“ konnten sowohl mit Theorien in Einklang gebracht werden, die Keimdrüsen als die wichtigsten geschlechtsbestimmenden Merkmale ausführten, als auch mit solchen, die ab Ende des 19. Jahrhunderts Erbanlagen betonten. Im Fall der Keimdrüsen hinge es von deren Masse und der Quantität und Funktionalität der dort gebildeten Substanzen ab, wie deutlich ein Geschlecht zum Vorschein kommen konnte, selbst wenn man der deutlichen Unterscheidung von Hoden- und Eierstockgewebe anhing. Bei Elberskirchen wurde deutlich, dass es auch Ausführungen gab, in denen Keimdrüsen nicht als geschlechtlich unterschiedlich, sondern in einer beide Geschlechter verbindenden Funktion beschrieben wurden. So ging etwa auch der Gynäkologe Halban um 1900 davon aus, dass es egal sei, welche Keimdrüse – ob Hoden oder Eierstock – in einem Individuum vorhanden sei, weil diese lediglich eine unterstützende Funktion bei der Ausbildung weiterer Merkmale habe; wichtig sei nur, dass überhaupt eine Keimdrüse vorhanden sei (Halban 1903).
Die Vererbung hatte für Halban für die Entstehung von Geschlechtsmerkmalen zentrale Bedeutung. Spätestens in der befruchteten Eizelle sollten alle Merkmale für geschlechtsspezifische Strukturen vorhanden sein – und in seiner Vorstellung war jedes Organ, jedes Gewebe, jede Zelle geschlechtlich. Die Entwicklung aller Merkmale – so der Keimdrüsen, der Genitalien etc. – sei in den Anlagen bereits vorbestimmt. Die Ausbildung würde sich lediglich mit unterschiedlicher Geschwindigkeit vollziehen. So würden die Keimdrüsen bereits etwa in der fünften Embryonalwoche ausgebildet werden, die Genitalien folgten im dritten Embryonalmonat und die sekundären Geschlechtscharaktere (die ebenso bereits festgelegt seien) folgten dann etwa zwischen dem 15. und dem 20. Lebensjahr. Bei Halban konnte nun jedes der als geschlechtlich gedachten Merkmale in der Entwicklung eine weibliche oder eine männliche Form annehmen. Sie würden sich „normalerweise“ alle entweder nur weiblich oder nur männlich ausprägen, es könnten in selteneren Fällen aber auch Mischungen entstehen (vgl. Voß 2010: 211f).
Richard Goldschmidt, der insbesondere für seine Arbeiten zur Vererbung bekannt wurde, setzte an diesen Betrachtungen an und legte ein detaillierteres Konzept der auf Anlagen beruhenden Geschlechtsausprägung körperlicher Merkmale vor. So ging er davon aus, dass jeder Mensch zunächst die Anlagen sowohl für weibliche als auch für männliche Geschlechtsmerkmale habe. Er unterschied den so genannten „Weiblichkeitsfaktor“ und den „Männlichkeitsfaktor“. Einer der Faktoren sei auf dem X-Chromosom lokalisiert, der andere auf dem Y-Chromosom oder den übrigen Chromosomen. X- und Y-Chromosom wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts für verschiedene Tierarten – insbesondere Insektenarten – beschrieben und benannt, wobei bei einigen Tierarten kein Y-Chromosom festgestellt werden konnte. „Weiblichkeits-“ und „Männlichkeitsfaktor“ kämen in unterschiedlicher Quantität vor, da der auf dem X-Chromosom lokalisierte Faktor entweder (vereinfacht ausgedrückt) in zwei Kopien oder nur in einer Kopie vorliegen konnte, während der auf den übrigen Chromosomen lokalisierte Faktor stets in zwei Kopien vorkommen würde. In der Embryonalentwicklung und auch in der späteren Entwicklung würden beide Faktoren so genannte „Determinierungsstoffe“ abgeben, die dann die spezifische Ausprägung der Geschlechtsmerkmale bewirkten. Dabei sei entscheidend, welcher Faktor vorherrsche. Während meist einer der Faktoren deutlich und durchgehend überwiege, könne es auch vorkommen, dass zunächst ein Faktor dominiere und die Entwicklung der Geschlechtsmerkmale in einer Richtung bestimme, dann aber ein Wechsel („Drehpunkt“) eintrete und der andere Faktor die weitere geschlechtliche Entwicklung präge. Goldschmidt gelang es damit, die geschlechtlich eindeutig gewerteten Erbanlagen mit seinen Beobachtungen einer großen Vielfalt der dann tatsächlich ausgebildeten Merkmale in Einklang zu bringen. Für die real sichtbaren Merkmale beschrieb er eine „lückenlose Reihe von Übergängen“, in der „Weiblichkeit“ und „Männlichkeit“ nur die „extremen Endglieder einer Reihe“ darstellten (Goldschmidt 1916: 5f.). Gewann er seine Einsichten insbesondere aus Experimenten mit Schammspinnern, leitete er gleichwohl ein universelles Prinzip ab, mit Gültigkeit auch für die Menschen. Der Biologe Paul Kammerer folgerte aus diesen Beschreibungen Goldschmidts, die zu dieser Zeit sowohl wissenschaftlich als auch populär verbreitet waren, prägnant mit Reichweite auch für die Menschen: „Es gibt nur Zwitter“ (Kammerer 1927: 81; vgl. Voß 2011: 143).
In Kenntnis sowohl der auf Keimdrüsen beruhenden Betrachtungen – basierend auf Untersuchungen, die insbesondere der Mediziner Eugen Steinach in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts durchführte – als auch der chromosomalen Ausführungen im Anschluss an Goldschmidt, formulierte Magnus Hirschfeld seine Theorie geschlechtlicher Zwischenstufen („Zwischenstufentheorie“) auf einer stets aktualisierten naturwissenschaftlichen Grundlage. Er errechnete 43.046.721 Kombinationsmöglichkeiten („Zwischenstufen“), in denen sich die als geschlechtlich gedachten physischen, physiologischen und psychischen Merkmale beim Menschen zeigen könnten (Hirschfeld 1926-30: I, 595f.).
Aktuelle Anschlussmöglichkeiten
Goldschmidts Theorien sind auch für die heutigen biologisch-medizinischen Geschlechtertheorien wieder aktuell. So ging Goldschmidt in seinen Vererbungstheorien nicht von einer alleinigen und von der Zelle loszukoppelnden Bedeutung von Chromosomen (von genetischem Material) aus, sondern hatte stets die Zelle und die dort ablaufenden Prozesse mit im Blick und band Chromosomen in diese ein. Goldschmidt musste als jüdischer Wissenschaftler (gemäß der Rassenideologie der Nazis) 1936 emigrieren und fand in den USA keine vergleichbar guten Forschungsbedingungen mehr vor. Seine Theorie konnte er also nicht bzw. kaum weiter fundieren. In der Zwischenzeit und nachfolgend setzte sich ein weit einfacheres Modell der Genwirkung durch, dass zeitgleich in der Arbeitsgruppe um Thomas Hunt Morgan (USA) entwickelt wurde und mit dem das Goldschmidt’sche Modell in Konkurrenz stand (vgl. Satzinger 2009). Mit der Strukturaufklärung der DNA in den 1950er Jahren erschien dann DNA als der Faktor der Vererbung schlechthin – und rückte in den Fokus.
Erst seit den 1980er Jahren und deutlicher durch das Humangenomprojekt, mit seinen für die Genforschung ernüchternden Ergebnissen, sind die auf DNA fixierten Theorien der Vererbung und der Ausbildung von Merkmalen ins Wanken geraten. Immer deutlicher wird, dass DNA als eingebunden in die Zelle betrachtet werden muss. Einerseits erscheinen nun Merkmale nicht mehr einfach als Produkt eines DNA-Abschnittes (eines „Gens“), sondern es wird die Wechselwirkung von zahlreichen „Genen“ und ihren Produkten (die Eiweiße, die dann tatsächlich Wirkungen in den Zellen entfalten) angenommen. Andererseits hat sich herausgestellt, dass aus ein- und demselben „Gen“ (DNA) zahlreiche unterschiedliche Produkte gebildet werden können, die dann in der Zelle und im Organismus unterschiedliche Funktionen erfüllen können. Es wird also durch komplexe Mechanismen in der Zelle entschieden und reguliert, welcher DNA-Abschnitt konkret „abgelesen“ und welches Produkt gebildet wird.
Erscheint die Änderung der Sichtweise zunächst banal, so ist sie es keineswegs, sondern es resultiert aus ihr eine grundlegend andere Perspektive. Nicht mehr die DNA beinhalte die Information und informiere die Zelle, wobei die Zelle nur nachgeordnete Erfüllungsgehilfin wäre, sondern die Zelle – eingebunden in den Organismus und offen für Einflüsse – entscheide über komplexe Mechanismen und reguliere, welche Information zu einem konkreten Zeitpunkt aus welcher DNA-Sequenz hergestellt wird. Damit geht man wieder von Gedanken der Präformation ab, die sich mit der Überhöhung der Bedeutung von Chromosomen und „Genen“ eingeschlichen hatten, und wendet sich stärker entwicklungsgeschichtlichem Denken zu. Für die Geschlechtsentwicklung heißt dies, dass nicht mehr ein Chromosom, ein „Gen“ oder wenige „Gene“ darüber bestimmten, wie sie verlaufe und welche Merkmale sich ausbildeten, sondern dass sie als zellulär regulierter Prozess angesehen werden muss, der damit unbedingt auch offen für Einflüsse aus der Zellumgebung, aus dem Organismus, aus dem mütterlichen Organismus und der weiteren Umgebung ist. Sie erscheint damit als nicht festgeschrieben und – schon auf Grund individuell unterschiedlich wirkender Einflussfaktoren – als variabel und individuell verlaufend (vgl. detailliert: Voß 2010: 237ff., insbesondere 283ff.).
Die Auffassung dass die ersten Stadien der Embryonalentwicklung geschlechtlich indifferent – also geschlechtslos bzw. hermaphroditisch – seien, wurde nie aufgegeben. Sie ist auch heute eine zentrale Grundannahme und bildet nach wie vor den Ausgangspunkt biologisch-medizinischer Theorien der Geschlechtsentwicklung.
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Fußnoten
[1] Es wird die „männliche“ Form verwendet, sofern sich ausschließlich sozialisierte Männer in der bezeichneten Gruppe befanden. Dadurch sollen zumindest die generellen strukturellen Ausschlüsse von Frauen sichtbar bleiben. Frauen waren aus den „modernen“ Wissenschaften lange Zeit vollständig ausgeschlossen – im Deutschen Reich konnten sie sich erst ab Beginn des 20. Jahrhunderts regulär immatrikulieren. Heute zeigen sich Diskriminierungen von Frauen nicht mehr als generelle Ausschlüsse aus den Wissenschaften, sondern als „gläserne Decken“, die Männern die prestigeträchtigen und lukrativen Positionen (insbesondere Professuren) sichern.